Gestern fand der traditionelle MIV-Milchgipfel in Brüssel in der bayerischen Vertretung statt. Mit über 200 Teilnehmern aus der deutschen und europäischen Milchbranche sowie hochrangigen Vertretern aus EU-Kommission, EU-Parlament und weiteren Institutionen war er ein voller Erfolg.
Zum Thema „Die Europäische Milchwirtschaft im Spannungsfeld globaler Entwicklungen“ diskutierten auf dem Podium MIV-Vorsitzender Peter Stahl, Bayerischer Staatsminister Helmut Brunner, stellvertretender Generaldirektor der GD AGRI (Kommission) Joost Korte, MdEP Ulrike Müller und MdEP Herbert Dorfmann. Es wurden zahlreiche Ideen vorgebracht, wie man die derzeitige schwierige Marktsituation wieder ankurbeln könne. Alle Panellisten lehnten aber einen Rückgang zur Milchquote ab. Vielmehr wurden die Marktteilnehmer in die Verantwortung genommen, um privatwirtschaftliche Lösungen zu finden. Politische Rahmenbedingungen von Seiten der EU-Kommission seien trotzdem noch notwendig.
© MIV by Alexander Louvet
Frau Müller wies auf die Aufstellung von Vermarktungsideen und die Überprüfung der vertraglichen Bindungen hin, auch in Genossenschaften. Das US-System einer Margenabsicherung müsse für die EU geprüft werden. Sie erwähnte die Idee von MdEP Albert Deß über eine sog. „Spontanintervention“.Herr Dorfmann wies auf die notwendige Förderung von Milcherzeugern in Berggebieten hin, die keine Alternative hätten. Staatsminister Brunner appellierte an die Discounter und Molkereien, nicht durch Sonderangebote/Unterbietungen, sondern durch echte Verhandlungen, den Verbraucherpreis wieder auf ein normales Niveau zu bringen. Aber auch der Verbraucher müsse konsequent in Bezug auf seine Erwartungen an qualitativ hochwertige Produkte handeln und entsprechend mehr Geld ausgeben. Man brauche eine moderne Milchpolitik mit mehr und flexibleren Instrumenten.Herr Stahl betonte, dass die Politik verlässlich sein müsse und nicht alte Ideen als neue verkaufen dürfe. Ein Strukturwandel bei Erzeugern und Molkereien sei in der aktuellen Situation unumgänglich, aber auch aufgrund modernisierter Arbeitsabläufe, die weniger Personal erforderten. Innovative Molkereien mit starken Marken halten der Volatilität besser Stand als solche, die nur im commodity-Bereich aktiv sind.Herr Korte von der EU-Kommission erkannte an, dass die Lage der Milcherzeuger nicht gut sei und ihnen geholfen werden müsse. Die stabilisierenden Markmaßnahmen der Kommission (Finanzpaket, PLH, Intervention etc.) hätten den Preis zwar nicht verbessert, aber ohne die Maßnahmen wäre er erheblich schlechter. Er wies, auch wie Herr Stahl, auf die positiven langfristigen Marktprognosen hin. Ein wichtiges Instrument, um die Volatilität zu bekämpfen, seien die Direktzahlungen, die immerhin 44 Mrd. €/Jahr ausmachten. Neue Instrumente (Versicherungen etc.) könnten zur Folge haben, dass die Direktzahlungen gekürzt werden. Wolle man das? Kommissar Hogan sei für alle neue Ideen offen, um sie auf dem Agrarrat im März zu diskutieren. Ein Rückgang zu alten Mechanismen, die nicht effizient sind, ist für die Kommission aber keine Option, da man sich ansonsten von den globalen Entwicklungen verabschiedet. Die neue Expertengruppe bei der Kommission soll vor allem den paradoxen Mechanismus prüfen, dass in schlechten Zeiten mehr gemolken wird als der Markt vertrage. Ziel der Expertengruppe sei die Besserstellung des Erzeugers in der Lieferkette, wobei der LEH dieses Mal in die Prüfung miteingeschlossen sein wird. In Bezug auf das US-Margin Protection Programme verwies Herr Korte auf die Fördermöglichkeiten von Einkommensversicherungen in der 2. Säule und wunderte sich, warum diese kaum genutzt würden.Einige Landwirte aus dem Publikum wiesen den Vorwurf von sich, sie seien Ursache der Überproduktion. In gewissen Regionen sei eine Ausweitung der Produktion aufgrund der geographischen Begebenheiten gar nicht möglich. Sie trügen auch zusammen mit den Molkereien die Last von politischen Beschlüssen, z. B. Russland-Embargo. Herr Korte erwiderte daraufhin, der individuelle Bauer sei nicht für die Krise verantwortlich. Aber in anderen Sektoren kämen die Marktsignale besser an. Dafür müsse eine Lösung gefunden werden.Um auf Augenhöhe mit dem LEH zu verhandeln, solle man Vermarktungskontore und Preismodelle diskutieren, so ein weiterer Vorschlag aus dem Publikum. Bei Warenterminbörsen seien die Landwirte überfordert. Die Molkereien könnten daher die Dienstleistung dafür übernehmen.Es wurde auch der Vorschlag gemacht, das Restgeld der im Jahr 2015 eingenommenen Superabgabe dem Milchsektor zu Gute kommen zu lassen (von 900 Mio. € habe die Kommission nur 500 Mio. € ausgegeben). Herr Korte erklärte, das Geld sei längst ausgegeben. Es sei schon schwierig genug gewesen, die 500 Mio.€ für den Milchsektor zu sichern, da einige Mitgliedstaaten, die nicht überliefert hatten, dem nicht zustimmen wollten.
Die Referenten des MIV-Milchgipfels 2016:vlnr.: Moderator Dr. Detlef Fechtner (Börsenzeitung), MdEP Herbert Dorfmann, Bayerischer Staatsminister Helmut Brunner, stellvertretender Generaldirektor der GD AGRI (Kommission) Joost Korte, MdEP Ulrike Müller, MIV-Vorsitzender Peter Stahl© MIV by Alexander Louvet