Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott

Milchpolitischer Frühschoppen 2016 in Berlin (ein Artikel der molkerei-industrie)

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott – so könnte man in etwa ein Fazit vom diesjährigen Milchpolitischen Frühschoppen in Berlin ziehen, den der Milchindustrie-Verband traditionell im Umfeld der Grünen Woche in Berlin veranstaltet. Das Thema des Forums am 19. Januar in der Vertretung des Freistaats Bayern lautete bezeichnenderweise „Wer hilft den Bauern?“.

Ein Patentrezept für eine Verbesserung der Marktlage haben weder die Politik, noch die Bauern, noch die Molkereien. Aber es gibt eine ganze Reihe von Baustellen, an denen gearbeitet werden muss. Diese bestehen z. B. in der Imagepflege und –verbesserung von Urerzeugung (inkl. Tierwohl) und Produkten, in der Vermarktung der Milcherzeugnisse und vor allem auch in deren Struktur. Vor allem aber auch im Export sollte sich Einiges gewinnen lassen. Jens Schaps, EU Kommission, beschrieb die Zielsetzung Brüssels, Märkte in kaufkraftstarken Exportmärkten zu erschließen (genannt wurden Japan und die USA). Hier sollen speziell höherwertige EU-Produkte Abnehmer finden. Ein Wettbewerb mit Commodities wäre nicht zielführend für die europäischen Molkereien, zudem würden viele heute noch auf Import angewiesene Länder künftig einen guten Teil der Basisversorgung selbst übernehmen.

Zukunft der GAP

Ein weiteres mögliches Problem für die deutschen Milcherzeuger besteht auch darin, dass sich die Förderung der Produktion auf 6 Cent/kg Milch summiert. 5 Cent davon entfallen auf Direktzahlungen. In der Diskussion um die EU Agrarpolitik nach 2020 gelte es lt. Schaps, diese Mittel unbedingt zu erhalten, ansonsten drohe Arbeitsplatzverlust auf dem flachen Land. Die größten Probleme Europas bestünden in Zukunft nämlich in der Demografie und im Klimawandel, so der Hinweis von Dr. German Jeub, BMEL. Allerdings wird die GAP nach 2020 auch begründen müssen, warum Subventionen in Höhe von 60 Mrd. € pro Jahr (Deutschland erhält 6 Mrd. €) weiterhin gerechtfertigt sind. Aktuell herrscht deutliche Unsicherheit, was die Ausrichtung der künftigen Agrarpolitik angeht.

Nie wieder Quote

Eine Rückkehr zur Quote scheidet für Jeub aus, sie sei ganz einfach in der EU nicht mehrheitsfähig. Eine neue Quote würde auf Sicht Arbeitsplätze im ländlichen Raum vernichten, statt sie erhalten, da die Kosten für Erzeugung und Verarbeitung steigen und durch Selbstbeschränkung freigegebene Marktanteile schwer rückerobert werden können. Zudem seien die EU Grenzen offen und der Milchmarkt voll in den Weltmarkt integriert. Würde man den von bestimmter Seite gewollten Rückzug der EU aus dem Weltmarkt erreichen wollen, müssten 25 Mio. t Milch aus dem Markt genommen werden, was in etwa der Produktion von Frankreich entspricht.

Ob die Milcherzeuger in der EU, wie es Podiumsdiskutant Dr. Willi Kremer-Schillings („Bauer Willi“) vorschlug, sich über eine konzertierte Reduzierung der Anlieferung einig werden können, ist wohl eher eine hypothetische Frage. Kremer-Schillings erinnerte hierbei an eine 15%ige Einschränkung der EU-Zuckererzeugung aus der letzten Zeit – was allerdings bei einem nicht täglich anfallenden Produkt leichter zu bewerkstelligen ist als bei Milch. Einen möglichen Startpunkt für eine Diskussion über eine solche freiwillige Lieferbeschränkung sieht Kremer-Schillings bei COPA/COGECA.

Die Referenten des Milchpolitischen-Frühschoppens 2016:vlnr.: Christian Schramm (Zott SE & Co. KG), Moderator: Anselm Richard (Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe), Peter Stahl (Hochland SE), Dr. Willi Kremer-Schillings als Bauer Willi (Landwirt), Dr. German J. Jeub(Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), Jens Schaps (Europäische Kommission)Bildquelle: Milchindustrie-Verband e.V.

Markt und Milchpreis

Christian Schramm, Zott, sieht in der aktuellen Situation den Milchpreis im Zentrum jeder Überlegung, wie man den Erzeugern helfen könnte. Die Auszahlung sollte aus Sicht Schramms Spitzen und Täler glätten, wobei extreme Ausschläge keinesfalls kurzfristig ausgeglichen werden können. Hier seien vielmehr innovative Marketingkonzepte gefragt, bei denen sich Zott gut aufgestellt sieht. „Bauer Willi“ schlug in Berlin als Lösungsansätze eine breit angelegte, emotionale Imagekampagne für Milch, phantasiereichere Vermarktungskonzepte und die zitierte freiwillige Lieferbeschränkung vor.

Einige Diskutanten widmeten sich der Umlage. Mit diesen Mitteln werde durchaus gute Arbeit für die gesamte Branche geleistet, daher sollte die Umlagefinanzierung gewisser Dinge auch unbedingt erhalten bleiben. Schaps und Jeub riefen in diesem Zusammenhang dazu auf, die Modalitäten EU-rechtskonform zu gestalten.

Die Diskussion drehte sich beim Milchpolitischen Frühschoppen auch um die Ausgestaltung der Lieferbeziehungen. Schramm bevorzugt anstelle des früher üblichen Einheitspreises verhandelte Lösungen, sie brächten am Ende zwar den gleichen Milchpreis, aber die Beteiligten kommunizierten mehr miteinander. Bei Zweipreismodellen seien die Molkereien eindeutig im Vorteil, während Mindestpreise Milchkäufer schnell in die Existenzfrage bringen können. Milchfutures sind lt. Schramm für Einzelhöfe durchaus, aber nicht MEGs geeignet, da die Absicherung zuweilen auch von der Milchpreisentwicklung überholt werden kann.

Milchwirtschaft und Staat

Von der Politik erwarten Molkereien das Setzen von Rahmenbedingungen für ein wettbewerbsfähiges Handeln und keine wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen. Der Handel schließlich sollte nicht nur für einzelne Segmente Geld aufwenden (wie jüngst für Konsummilch etc.), sondern auf die gesamte Mopro-Range, sagte Schramm.

Der Staat, auf der anderen Seite, ist ganz offenbar nicht mehr gewillt, über die Intervention Anreize zu setzen. Der Forderung einiger Mitgliedsstaaten, die Interventionspreise auf ein Milchpreisniveau von 25 Cent heraufzusetzen, erteilte Schaps eine klare Absage. Es gebe in der EU so manche Bauern, für die 25 Cent durchaus einen Produktionsanreiz geben. Gegen einen überversorgten Markt lasse sich nicht ‚anintervenieren‘, eine Lösung könne nur dadurch erreicht werden, dass die Bauern erkennen, dass ihnen eine Mehrlieferung von 3 – 5% Probleme für 100% ihrer Produktion macht. Schaps: „Muss jeder Landwirt wirklich die letzten zwei bis drei Prozent herausholen?“ Höhere Interventionspreise würden jedenfalls die Abwärtsspirale der Preise verstärken, vor allem auch, weil aufgekaufte Ware irgendwann wieder in den Markt gegeben werden muss. An einem daraus evtl. ziehbarem Profit sei die Kommission nicht interessiert, sagte Schaps.

Von Seiten der Politik wurde in Brüssel übrigens gerade eine Task Force für die gesamte Lebensmittellieferkette eingesetzt. Sie soll unter anderem Best Practices aus verschiedenen Ländern zusammentragen wie z. B. einen im UK etablierten Ombudsmann für Wettbewerbsfragen, ergänzte Schaps.

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