MIV-Milchgipfel 2020: "Green Deal für Milch?"

„Green Deal für Milch?“ lautete das Motto des diesjährigen traditionellen Milchgipfels, eine vom Milchindustrie-Verband (MIV) speziell für Vertreter der europäischen Politik- und Verbandsszene in Brüssel ausgerichteten Vortragsveranstaltung. Mit ca. 180 Teilnehmern war das Event am 20. Februar 2020 sehr gut besucht – der Green Deal steht aktuell ja auch in aller Munde. molkerei-industrie stellt die wesentlichen Aussagen der Tagung zusammen.

© Alexander Louvet

Herbert Dorfmann (MdEP), Günther Felßner (stv. Präsident Bayerischer Bauernverband), Barbara Schretter (Leiterin der Vertretung des Freistaates Bayern bei der EU), Peter Stahl (Vorsitzender MIV), Cristina Lobillo Borrero (Hauptberaterin des Generaldirektors für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bei der Europäischen Kommission), Amelie de Grahl (Leiterin MIV-Büro Brüssel), Dr. Detlef Fechtner (stv. Chefredakteur Börsenzeitung), Eckhard Heuser (Hauptgeschäftsführer MIV)

Wie der MIV-Vorsitzende Peter Stahl (Hochland) betonte, ist der Verband erneut Pionier – er ist die erste Branchenorganisation, die in Brüssel öffentlich über den Green Deal diskutierte. Diese Umstellung auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität werde alle Bereiche der Wirtschaft betreffen, eben auch die Milchwirtschaft. Der MIV befasst sich schon lange mit Nachhaltigkeitsfragen, sagte Stahl mit dem Hinweis auf das entsprechende Modul in QM-Milch. Wenn jetzt Nachhaltigkeit Präsenz in Gesellschaft und Medien bekommen hat, sei dies richtig, denn nur mit einem übergreifenden Schulterschluss ließe sich die Welt erhalten. Stahl sprach sich für Technologieoffenheit aus, denn Veränderungen solchen Ausmaßes wie ein Green Deal ließen sich nur mit der Wirtschaft und technologischen Innovationen bewältigen. Der Verbraucher, so Stahl, werde seine Gewohnheiten kaum ändern, daher müsse ihm Landwirtschaft und Industrie Produkte liefern, die er mit gutem Gewissen konsumieren kann. Veränderungen seien nur mit den Märkten, aber nicht gegen sie machbar.

Details lassen auf sich warten

Noch sind keine Details des sog. Green Deal bekannt, auch die für den Agrarsektor besonders wichtige „Farm to Fork“ Strategie wird erst am 25. März vorgestellt, so der Hinweis von Cristina Lobillo Borrero, Hauptberaterin des Generaldirektors der DG Agri in der EU-Kommission. Umfassen wird „Farm to Fork“ wohl die Problembereiche Antibiotika- und Düngernutzung, Lebensmittelsicherheit und -abfall sowie Biodiversität (über die Ziele der EU für letztere dürfte erst im Dezember Klarheit herrschen). Parallel mit dem Green Deal laufen eine weitere Reform der GAP und natürlich die Verhandlungen über den mittelfristigen Haushalt der EU. Jede politische Maßnahme werde sich nun den Zielen des Green Deals unterordnen müssen, lautete der Hinweis Borreros.

Ideologie statt Fakten

Der Südtiroler Europapolitiker Herbert Dorfmann ergänzte die Diskussion mit seiner Forderung, dass der Green Deal auf realen Gegebenheiten und wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen muss; er habe aktuell den Eindruck, dass der Ideologie freier Lauf gelassen wird. Eine Tierhaltung in vernünftigen Besatzstärken sei indes beileibe kein Problem. Im Gegenteil: Grünland stellt 50% der weltweiten Agrarflächen. Diese ökologisch besonders vorteilhafte Wirtschaftsform lasse sich eben nur mit Nutztieren betreiben. In der momentanen Diskussion kommt im Übrigen, so Dorfmann, zu kurz, dass auch die ca. 7 Milliarden zählende Weltbevölkerung ihren gehörigen Anteil an den Klimagasemissionen hat.

Der Blick muss umfassend sein

Günther Felßner, Vizepräsident des Bayer. Bauernverbandes, bezeichnete den Green Deal als Herausforderung zur rechten Zeit. Die Landwirtschaft sei ohnehin immer schon umweltorientiert gewesen, doch gebe es natürlich auch eine Kehrseite, da eine Fülle existenzgefährdender Auflagen speziell für Familienbetriebe kommen könnten. Laut Felßner müsse in Politik und Gesellschaft ein umfassender Blick auf die Dinge gegeben sein, denn noch immer hungern zehn Prozent der Weltbevölkerung. In einem „New Big Green Deal“ dürfe die Betrachtung nicht nur auf Nachhaltigkeit beschränkt bleiben. Europa und speziell Deutschland sind Gunststandorte für die Milcherzeugung, lautete der Hinweis Felßners. In Deutschlands fallen im Schnitt je kg Milch 1,2 kg CO2 Emissionen an, in der EU sind es 3 kg und in manchen heißen Klimaten bis zu 15 kg. Wenn der Green Deal auf Freiwilligkeit stellt und marktwirtschaftlich abläuft, sei ihm vor der Zukunft nicht bange, sagte Felßner.

© Alexander Louvet

Auditorium

Veränderung braucht Geld

In der Diskussion mit dem Auditorium ging es unter anderem über die Finanzierung der EU bzw. ihres Agrarsektors. Dass es heute die berüchtigte 80:20 Aufteilung der EU-Mittel gibt (80% der Zahlungen gehen an ein Fünftel der landw. Betriebe), rührt daher, dass die Mittel insgesamt in den letzten 30 Jahren nicht erhöht wurden, der Strukturwandel aber 50% der Leistungsempfänger aus dem System genommen hat. Aus Sicht Dorfners werden die Mittel aus der sog. 1. Säule immer noch mit der Gießßkanne über die EU-Landwirtschaft verbreitet. Dabei sollte die pauschale Förderung an sich ein Auslaufmodell sein. Die anstehende Reform biete jetzt die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass es keine übergroßen Besatzstärken mehr geben wird und auch weniger Futter importiert werden muss. Auch der Bauernvertreter Felßner ist bereit für eine Neuverhandlung der 1. Säule, wobei politisch aber auch die Entscheidung getroffen werden müsse, ob es in Zukunft noch Familienbetriebe oder aber nur noch klima- und kostenoptimierte Großerzeuger geben soll.

Fazit

Nachhaltigkeit kostet Geld, stellte Stahl, fest. Aber nicht nachhaltig zu wirtschaften kostet ebenfalls. Diese Kosten seien nicht direkt spürbar, da sie bisher nicht in die Preise der Waren einfließen. Die Internalisierung externer Effekte werde die Produktpreise künftig steigen lassen. Dies könnte in der Folge, so ein Einwurf aus dem Publikum, die Konkurrenz zwischen konventionell und biologisch hergestellten Erzeugnissen verringern und zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Allerdings ist dann auch die Politik aufgerufen sicher zu stellen, dass EU-Ware im Wettbewerb mit Produkten aus Regionen, die es mit der Nachhaltigkeit nicht so genau nehmen, keinen Schaden erleidet.

Quelle: molkerei-industrie

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