Molkereien haben einen Stellenwert, zumindest in Luxemburg (ein Artikel der molkerei-industrie)
Einige der Teilnehmer der Jahrestagung des Milchindustrie-Verbands wurden am 23. Oktober in Leipzig möglicherweise mit ein klein wenig Neid erfüllt als sie die Ausführungen von Luxlait-Geschäftsführer Claude Steinmetz hörten. Dieser berichtete, dass die nach deutschen Maßstäben mit 130 Mio. l Milchdurchsatz kleine Molkerei, höchste Achtung in der Landespolitik und damit auch entsprechende Förderung genießt.
Dies zeigte sich nicht nur beim Neubau in 2009, sondern auch darin, dass Steinmetz ein Video mit nicht weniger als fünf Landesministern und dem Ministerpräsidenten zeigen konnte, in dem diese überzeugende Testimonials für die Luxlait (100 Mio. € Umsatz, 300 Mitarbeiter) ablegten.
Bildquelle: molkerei-industrie
Wie Steinmetz (Foto: mi) erklärte, sucht Luxlait angesichts des kleinen Heimatmarktes die Expansion im Ausland, hier aber immer in Nischen für Spezialprodukte (koscher, Halal). Schon heute werden 65% der Produktion exportiert. Um Nischen bedienen zu können, stellt das Unternehmen fast alles, was aus Milch gemacht werden kann her, darunter auch Eiskrem sowie die weiße und gelbe Linie. Damit verbunden wird in Kleinstchargen produziert, die höheren Kosten macht Luxlait mit besonders hoher Produktqualität wett. Im Heimatmarkt, der wenig von Discount geprägt ist, scheinen die Erlöse aber noch in Ordnung zu sein, der Liter Konsummilch geht für 1,20 € über die Ladentresen.
Im Heimatmarkt steht Luxlait unter starkem Druck durch ausländische Molkereien, deren Werbung das kleine Land über die ausländischen Medien überschwemmt. Zudem beträgt der Ausländeranteil in Luxemburg 50%, Verbraucher, die ihre Verzehrs- und Kaufgewohnheiten mitgebracht haben. Hier lässt sich Luxlait auf keinen Kampf ein, sondern setzt auf Marketing außerhalb der Massenmedien. Das zeitgleich mit der neuen Molkerei errichtete „Vitarium“ bietet Einblick in Gewinnung und Verarbeitung von Milch und einen Showbetrieb für direktes und emotionales Marketing. 40.000 Besuchern pro Jahr werden an 43 Stationen Themen wie Landwirtschaft, Sinnlichkeit, Gesundheit, richtig Einkaufen nahe gebracht. Dazu kommen Events, Seminare oder Kochveranstaltungen, für die das Vitarium ebenfalls buchbar ist.
Zwar wird Luxlait als Genossenschaft auf Dauer alle Milch der 732 Lieferanten ohne irgendwelche Sonderregelungen aufnehmen (bis 2020 ist ein Plus von 5% veranschlagt), Wachstum über die Milchmenge steht aber nicht im Fokus. Seit zehn Jahren, berichtete Steinmetz, wurden keine neuen Lieferanten mehr aufgenommen, was sich auf Sicht auch nicht ändern wird.
Risiken: echt oder übertrieben?
Der Leiter der Fakultät für Statistik an der TU Dortmund, Prof. Walter Krämer (Foto: mi), erklärte im zweiten Vortrag anlässlich der MIV-Tagung, wie sehr der Umgang mit Risiken in Deutschland schief läuft. Terror und tatsächliche Gefahren wie das Autofahren werden hierzulande auf eine Stufe mit „Kinkerlitzchen“ gestellt. Dabei herrscht sehr oft eine Angst vor, die überproportional zum wirklichen Risiko steht. Solche Ängste werden z.B. über Medien erzeugt, die durch Aufbauschen von Tatsachen Auflage suchen. Krämer bezeichnete in diesem Zusammenhang die redaktionelle Strategie von „Ökotest“ als „kriminell“. Dieser Titel berichtet regelmäßig über Funde von Schadstoffen in Lebensmitteln, ohne auf die jeweilige Konzentration einzugehen. Dass immer mehr solcher Schadstoffe gefunden werden, hängt jedoch allein mit dem Fortschreiten der Analysetechniken zusammen und gibt keine Auskunft über erhöhtes Gefährungspotential. Denn wie bei allen Stoffen, die wir zu uns nehmen, gilt auch bei diesen Komponenten das Paracelsus-Prinzip von der jeweiligen Dosis.
Krämer belegte seine Aussage mit dem Hinweis, dass 99,99% aller „Gifte“ natürlich in Lebensmitteln vorkommen. Der Rest, 0,01%, wird durch Anbau- oder Verarbeitungsmethoden eingebracht, und nur darauf heben die Panikmacher ab – die Natur, so Krämer, eignet sich nicht zum Sündenbock. Als Beispiel führte Krämer den Babykostskandal bei Schlecker auf, in dessen Folge Mütter vermehrt zu Frischgemüse griffen, das aber bis zu 200 Mal stärker belastet ist als die von den Medien damals skandalisierte Gläschenkost.
Viele wissenschaftliche Arbeiten leiden unter einer mangelhaften Auswertung der zugrunde liegenden Daten, so Krämer weiter zu den „Skandalen“, was als zufälliges Artefakt schlampiger Statistik dann Zusammenhänge herstellt, die in Wirklichkeit nicht gegeben sind. Zwischen Korrelation und Kausalität wird nicht unterschieden, alternative Ursachen werden, wenn sie in den Arbeiten tatsächlich diskutiert wurden, von den zitierenden Medien unterschlagen. Für alle, die mehr wissen wollen: im Internet berichtet Krämer regelmäßig über die „Unstatistik des Monats“.