Beim diesjährigen Brüsseler-Milchgipfel des Milchindustrie-Verbandes stand das Thema „Handelsschranken im Binnenmarkt – Verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Milch“ im Fokus der Veranstaltung.
© AlexanderLouvet / vlnr.: Dr. Detlef Fechtner (Chefredakteur der Börsen-Zeitung und Moderator des Brüsseler Milchgipfels), Peter Jahr (Mitglied des Europäischen Parlaments), Esther Winterhoff (Referatsleiterin Ernährung und Landwirtschaft bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU), Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt), Prof. Dr. Matthias Horst (Honorarprofessor an der Universität Bonn und Rechtsanwalt bei ZENK), Peter Stahl (Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes e.V.)
Die über 130 Teilnehmer erlebten bei der sehr gut besuchten Veranstaltung in der Vertretung Sachsen-Anhalts in Brüssel einen kurzweiligen Austausch zwischen Podium und Publikum zu den Vor- und Nachteilen einer Herkunftskennzeichnung. In Summe und in den Argumenten überwogen am Ende die Bedenken zur Einführung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung. Eine freiwillige Lösung findet sich bereits heute auf vielen Produkten, Verbraucher könnten ihrem Wunsch nach Regionalität bereits jetzt durch die richtige Wahl nachkommen und Freiwilligkeit sei an dieser Stelle deutlich zielführender und kosteneffektiver für alle Beteiligten. Bedauerlicherweise konnte von der zuständigen Generaldirektion Sante niemand teilnehmen und über die Intention und den aktuellen Stand der Kommission berichten.
Sven Schulze, Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalts begrüßte als Gastgeber die Teilnehmer zu diesem aktuellen und wichtigen Thema. Nicht zuletzt sei Milch ein extrem wichtiges Produkt für alle Verbraucher. Für sein Bundesland sowie für die EU-Mitgliedstaaten sehe er kein Ziel in einer zunehmenden Anzahl nationaler Regelungen in Form einer Herkunftskennzeichnung. Mit dieser Meinung sei er in Deutschland auch nicht allein, auch andere Bundesländer sähen eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung kritisch.
Der MIV-Vorsitzende Peter Stahl unterstrich den hohen Wert des gemeinsamen EU-Binnenmarktes und die damit verbundene Historie in den Entscheidungen zur Herkunftskennzeichnung auf EU-Ebene. Sowohl die EU-Folgenabschätzung 2015, wonach die Mehrkosten einer Herkunftskennzeichnung nicht aufgewogen werden, als auch das EuGH-Urteil im Lactalis-Fall vor wenigen Jahren, würden eine eindeutige Sprache gegen eine verpflichtende Kennzeichnung sprechen. Umso verwunderlicher sei es, dass die genehmigten Pilotprojekte von Mitgliedstaaten durch die EU-Kommission einfach toleriert werden und das Thema jetzt in die F2F-Strategie verlagert wird. Deutschland ist ein zentral in der EU liegendes Land mit vielen Außengrenzen und intensivem EU-weiten Handel, das geht vielen anderen Ländern ähnlich. Peter Stahl veranschaulichte an dieser Stelle das Thema mit praktischen Fragestellungen einer Molkerei zur Planung und Umsetzung von Milchströmen über Ländergrenzen hinweg, Investitionen in neue Tanklager und wechselnden Produktverpackungen. Ein Stück Fleisch ist nicht zu vergleichen mit einem Stück Käse. Nicht zuletzt seien die entstehenden Kosten einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung immens.
Esther Winterhoff, Referatsleiterin Ernährung und Landwirtschaft von der deutschen Ständigen Vertretung bei der EU verwies auf die sehr klare Ausrichtung im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die im Koalitionsvertrag festgehaltene Entscheidung für eine umfassende Kennzeichnung von Lebensmitteln umzusetzen. Es gehe darum, den Verbraucherwunsch nach einem Mehr an Transparenz umzusetzen. Eine EU-Regelung sei in Planung, sollte aber kein EU-Vorschlag vorangetrieben werden, so würde Deutschland mit einer nationalen Regelung voranschreiten. Unterstützt wurde die Position aus dem Publikum, die Herkunftskennzeichnung als ein zusätzliches, notwendiges Differenzierungsmerkmal zu nutzen. Wenn schon nicht auf Ebene der Mitgliedstaaten, so doch auf Ebene EU zu Non-EU.
Peter Jahr, Mitglied des Europäischen Parlaments unterstrich seine Begeisterung für Regionalisierung und mehr Wertschöpfung. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung führe dagegen zur Marktabschottung und löse nicht die Probleme der Wertschöpfung. Er setze daher auf die Freiwilligkeit und das Vertrauen in die Verbraucher, das bereits bestehende Angebot richtig zu nutzen.
Laut einer Literaturstudie des EU-JRC haben Verbraucher in Befragungen eine hohe Präferenz für nationale Produkte. Je weiter weg, desto schwieriger seien Vorbehalte gegenüber Produkten aus anderen Regionen zu überwinden und sei es für Verbraucher vorstellbar, dass die Produktionsbedingungen gleich gut sind. Die diskutierte Kennzeichnung sei aber laut Prof. Dr. Horst, Honorarprofessor der Universität Bonn zunächst qualitätsneutral, bringe nicht mehr Wertschöpfung in die Kette und berge vielmehr ein Irreführungspotential für den Verbraucher, da innerhalb der EU die gleichen gesetzlichen Vorgaben zur Qualität- und Produktsicherheit gelten.