Sachstand zu Wiederkäuer-Transfettsäuren
Der Milchindustrie-Verband e. V. unterstreicht, dass die natürlichen Transfettsäuren, die während der Verdauung im Pansen von Wiederkäuern gebildet werden, in den durchschnittlich aufgenommen Verzehrsmengen gesundheitlich unbedenklich sind.
Eine Vielzahl von Staaten setzt dieses bereits in ihrem nationalen Recht um, wobei Maßnahmen zu Transfettsäuren (TFA) in Lebensmitteln auf die sog. industriellen TFA (i-TFA) begrenzt sind. In 2019 wurde eine europäische Regelung zur Begrenzung des i-TFA-Gehaltes verabschiedet (EC, 2019).
Der vorliegende Sachstand geht auf die Unterschiede, Aufnahmemengen und gesundheitlichen Wirkungen der natürlichen TFA ein. Auch der Europäische Milchindustrieverband hat hierzu ein Fragen und Antworten-Papier erarbeitet (EDA, 2018).
Wiederkäuer-Transfettsäuren unterscheiden sich von industriellen TFA
Frau Dr. Kuhnt und Herr Prof. Jahreis von der Friedrich-Schiller-Universität Jena kommen in ihrer Stellungnahme (Jahreis, 2011) zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass sich natürliche und industrielle Transfettsäuren deutlich unterscheiden, und zwar hinsichtlich
- der Verteilung der einzelnen Trans-Verbindungen (Isomere)
- der TFA-Konzentrationen im Fett und der aufgenommen Verzehrsmenge
- der ernährungsphysiologischen Bewertung.
Wiederkäuer-TFA sind besonders
Natürliche Wiederkäuer-TFA (= ruminante TFA, r-TFA) werden bei der Verdauung im Pansen des Tieres gebildet und kommen in Produkten von Wiederkäuern, wie Milch und Fleisch, vor. Im Milchfett dominiert deutlich die Vaccensäure (t11). Der menschliche Körper kann aus dieser sogenannte konjugierte Linolsäuren (CLA) bilden. Außerdem ist der hohe CLA-Anteil (c9,t11) im Milchfett nach Kuhnt und Jahreis selbst mit protektiven Eigenschaften, wie anti-carcerogen, anti-atherogen und anti-allergen, assoziiert.
Gesundheitliche Bewertung von TFA durch die WHO
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2009) beurteilt die Aufnahme von industriellen TFA als gesundheitlich bedenklich wegen eines erhöhten Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Große Studien zeigen demgegenüber für die Aufnahme von r-TFA keinen eindeutigen negativen Effekt, teilweise wurden die r-TFA sogar als schützend (protektiv) bewertet. Die durchschnittliche Verzehrsmenge an Wiederkäuer-Transfettsäuren wird als gering eingestuft und ist damit gesundheitlich unbedenklich. Dieses bestätigt die WHO im Jahr 2013 (WHO, 2013).
Eine Studie im Auftrag der WHO bewertet zusammenfassend, dass Transfettsäuren aus industriellen Quellen als statistisch signifikant erhöhend bei der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit und der Gesamtzahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken. Die Aufnahme von ruminanten Transfettsäuren resultiert hingegen nicht in einem größeren Risiko (de Souza, 2015).
Wiederkäuer-TFA sind unbedenklich
Die Veröffentlichung von Herrn Prof. Jahreis, Herrn Degen und Frau Dr. Kuhnt zu TFA spricht sich ebenfalls für die Differenzierung der TFA in Abhängigkeit von der Quelle aus (Jahreis, 2015). Auch die Auswertung des Internationalen Milchwirtschaftsverbandes zeigt die Unterschiede zwischen i-TFA und r-TFA auf (IDF, 2018), ebenso wie ein aktueller
Review zu gesundheitlichen Effekten (Pipovan, 2021).
Die Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health Study (LURIC) fand heraus, dass Transfettsäuren aus natürlichem Ursprung mit einer niedrigeren Gesamt-Sterblichkeit, vor allem mit einem niedrigeren Risiko für den plötzlichen Herztod, assoziiert waren (Kleber, 2015).
Ungerechtfertigte Vereinfachung wird abgelehnt
Es gibt Studien, bei denen die Wirkung einer extrem hohen r-TFA-Aufnahme (5- bis 10-fache Menge) künstlich und unrealistisch geprüft wurde. Als Folge dieser, beim Verbraucher absolut nicht üblichen, Verzehrsmenge, veränderten sich Blutfettwerte negativ. Diese Menge wird in Deutschland nach aktuellen Berechnungen keinesfalls erreicht, worauf die Autoren Kuhnt und Jahreis (Jahreis, 2011) ausdrücklich hinweisen.
Aussagen, wonach „alle Transfettsäuren (industriell und tierisch) negativ zu bewerten seien und kein ernährungsphysiologischer Unterschied bestehen würde“, stellen eine ungerechtfertigte Vereinfachung der Sachlage dar.
Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) verweist auf Studien, wonach die TFA-Aufnahme einen dosis-abhängigen Effekt auf die Steigerung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vergleich zu andern Fettsäuren zeigt. Viele Ernährungsempfehlungen befürworten daher die Aufnahme von Transfettsäuren so gering wie möglich zu halten (EC, 2018).
Absolute Verzehrsmenge von Wiederkäuer-TFA gering
Es wird empfohlen, maximal 1 Energie% als TFA aufzunehmen. Als gesundheitlich bedenklich gelten TFA-Aufnahmen über 2 % der Nahrungsenergie.
Die aktuelle mittlere Aufnahme von TFA liegt bei 1,6 g/d (= 0,66 Energie%) in Deutschland. Hohe Aufnahmen betragen 3,52 – 5,34 g/d (= 1,14 – 1,46 Energie%), diese beruhen vor allem auf den verzehrten i-TFA. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zeigt, dass die übliche Verzehrsmenge an Wiederkäuer-Transfettsäuren kein Risiko für das kardiovaskuläre System darstellt, sie sind damit gesundheitlich unbedenklich (BfR, 2013).
Bundesregierung bestätigt MIV-Position
Die Bundesregierung betont (Deutscher Bundestag, Drucksache Nr. 17/5332 vom 01.04.2011), dass unerwünschte Einflüsse auf kardiovaskuläre Parameter nur in Interventionsstudien mit industriellen TFA gezeigt wurden. Der Verzehr von TFA aus Wiederkäuerfett liegt in Deutschland weit unterhalb der Mengen, für die unerwünschte Effekte auf kardiovaskuläre Risikoparameter nachgewiesen wurden. Der MIV begrüßt diese Klarstellung, wonach die übliche Aufnahme von ruminanten, also natürlichen, Transfettsäuren gesundheitlich kein Problem darstellt.
Die „Gemeinsame Initiative von BMEL und Lebensmittelwirtschaft zur Minimierung von TFA in Lebensmitteln“ betrifft nur die i-TFA, aber nicht die Wiederkäuer- und damit nicht die Milch-TFA. Dieses geht unter anderem klar aus der „Rahmenleitlinie zur weiteren Minimierung von nicht-ruminanten trans-Fettsäuren in Lebensmitteln“ und der Präambel hervor (BMEL, 2019). Damit findet keine Gleichstellung von r TFA und i-TFA hinsichtlich der ernährungsphysiologischen Wirksamkeit statt.
EU-Verordnung zur Limitierung der industriellen TFA
Die EU-Kommission hat die Verordnung (EU) 2019/649 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 betreffend andere Trans-Fettsäuren als solche, die auf natürliche Weise in Fett tierischen Ursprungs vorkommen, verabschiedet (EC, 2019). Damit wird der Gehalt von industriellen TFA in Lebensmitteln begrenzt.
Der Gehalt an i-TFA in Lebensmitteln, die für Endverbraucher oder Einzelhandel bestimmt sind, darf nicht mehr als 2 g pro 100 g Fett betragen. Des Weiteren ist eine Informationspflicht für Lieferanten (B2B) eingefügt worden, wenn die Rohwaren diesen Wert überschreiten.
Länderspezifische Regelungen zur Begrenzung der i-TFA
Das Paradebeispiel ist Dänemark, das im Jahr 2003 eine Begrenzung der industriellen Transfettsäuren auf 2 g/100 g Gesamtfett eingeführt hatte. Seitdem ist die Aufnahme von i-TFA ein Zehntel dessen, was sie früher war, und die Sterberate aufgrund Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist erheblich gesenkt worden. Die Reduzierung von i-TFA sei ein einfacher Weg, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Natürliche (ruminante) Transfettsäuren stehen hier nicht im Fokus.
Dem dänischen Beispiel der Limitierung von i-TFA in Lebensmitteln folgten bereits verschiedene Staaten (wie Österreich, Ungarn, Lettland, Norwegen, Litauen). Inzwischen haben auch Slowenien und Rumänien eine entsprechende Regelung national verabschiedet, wobei tierische Fette und Lebensmittel mit natürlichen TFA-Gehalten ausgenommen sind.
Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA; behördliche Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde) hat den teilweise gehärteten Ölen, als Hauptquelle für industrielle Transfettsäuren, ihre Zulassung aus Gründen der Volksgesundheit in 2015 entzogen (FDA, 2018).
Zusammenfassend:
Transfettsäuren von Wiederkäuern sind nach aktuellem wissenschaftlichen Stand im Rahmen der üblichen Verzehrsgewohnheiten nicht zu beanstanden.
Der MIV begrüßt die EU-Verordnung, wonach natürlicherweise vorkommende TFA eindeutig von den i-TFA differenziert werden.
Tägliche Portion Milch ist essentiell
Da Milch als Grundnahrungsmittel im Rahmen einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung der Prävention von ernährungsmitbedingten Krankheiten dient, gilt für den Verbraucher nach wie vor, dass die tägliche Portion Milch und Milchprodukte einen wichtigen Beitrag zur Ernährung leistet (DGE-Ernährungsempfehlungen).
Quellen:
- EC, 2019: VERORDNUNG (EU) 2019/649 DER KOMMISSION zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend andere Trans-Fettsäuren als solche, die auf natürliche Weise in Fett tierischen Ursprungs vorkommen
- EDA, 2018: Trans Fatty Acids: Questions & Answers, European Dairy Association
- Jahreis, 2011: Stellungnahme zu wiederkäuerspezifischen trans-Fettsäuren – trans-Fettsäuren natürlicher und industrieller Genese, Dr. Katrin Kuhnt und Prof. Dr. Gerhard Jahreis, 25.01.2011 (siehe Download unterhalb)
- WHO, 2009: WHO Scientific Update on trans fatty acids: summary and conclusions, European Journal of Clinical Nutrition (2009) 63, S68-S75, Uauy R. et al.
- WHO, 2013: The effectiveness of policies for reducing dietary trans fat: a systematic review of the evidence, Bull World Health Organ; 2013; 91:262-269H, Downs S. M. et al.
- de Souza, 2015: Intake of saturated and trans unsaturated fatty acids and risk of all cause mortality, cardiovascular disease, and type 2 diabetes: systematic review and meta-analysis of observational studies, BMJ 2015 Aug 11; 351:h3978, de Souza R.J. et al.
- Jahreis, 2015: Evaluation of the Impact of Ruminant trans Fatty Acids on Human Health: Important Aspects to Consider, Crit Rev Food Sci Nutr. 2015 Mar 6:0, Kuhnt K., Degen C., Jahreis G.
- IDF, 2018: Trans fatty acids (TFA) to be differentiated into industrially produced TFAs and naturally present TFAs, IDF Factsheet 003/2018-05
- Pipoyan, 2021: The Effect of Trans Fatty Acids on Human Health: Regulation and Consumption Patterns – Review Foods 2021, 10, Pipovan D et al.
- Kleber, 2015: Trans fatty acids and mortality in patients referred for coronary angiography: the Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health Study, European Heart Journal 37(13) September 2015, M.E. Kleber M. E. et al.
- EFSA, 2018, Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde, Scientific and technical assistance on trans fatty acids, Technical report
- BfR 2013: Bundesinstitut für Risikobewertung, Höhe der derzeitigen trans-Fettsäureaufnahme in Deutschland ist gesundheitlich unbedenklich, Stellungnahme 028/2013, 6. Juni 2013
- Deutscher Bundestag, Drucksache 17/5332 vom 01.04.2011: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu Transfettsäuren in Lebensmitteln
- BMEL, 2019: Weniger Trans-Fettsäuren in Lebensmitteln, Stand 31.08.2019
- FDA, 2018: U.S. Food and Drug Administration, Trans Fat, 18.05.2018
- DGE Ernährungsempfehlungen: Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung)